Steuerforderungen und -erstattungen: BStBK für variablen Zinssatz

Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) macht in einer Eingabe an das Bundesfinanzministerium Vorschläge für eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Vollverzinsung und weiterer korrespondierender Vorschriften. Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) indizierte Verpflichtung des Gesetzgebers zur verfassungsgemäßen Neuregelung der Vollverzinsung bis zum 31.07.2022 sei für Steuerpflichtige und deren Steuerberater von enormer praktischer Bedeutung, betont die BStBK.

Mit Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) hat das BVerfG entschieden, dass die typisierende Festlegung des

Zinssatzes von sechs Prozent pro Jahr für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers für ab in das Jahr 2019 fallende Veranlagungszeiträume nicht mehr zu rechtfertigen ist. Aus Sicht der BStBK müssen jedoch nicht nur die

Vollverzinsung, sondern die verfahrens- und materiellrechtlichen Zinstatbestände insgesamt reformiert und an ein kapitalmarkt-gerechtes Zinsniveau angepasst werden. Es bedürfe eines in sich schlüssigen Gesamtkonzepts, das auf einheitliche und realitätsnahe Zinsen abstellt und Anpassungsautomatismen beinhaltet. Die Entscheidung des BVerfG beziehe sich nicht auf andere Zinstatbestände wie zum Beispiel Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozesszinsen oder Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung (§§ 234 bis 237 Abgabenordnung – AO), für die ebenfalls ein Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr gilt. Nach Ansicht der BStBK ist es jedoch dringend geboten, bereits proaktiv und nicht erst nach etwaigen weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen die Zinstatbestände der §§ 234 bis 237 AO auf ein kapitalmarktgerechtes Niveau anzupassen. Gleiches gelte etwa für die bilanziellen Abzinsungssätze für unverzinsliche Verbindlichkeiten (§ 6 Absatz 1 Nr. 3 EStG), Rückstellungen (§ 6 Absatz 1 Nr. 3a

Buchst. e EStG) oder Pensions-rückstellungen (§ 6a Absatz 3 Satz 3 EStG) beziehungsweise den bewertungsrechtlichen Zinssatz (§ 12 Absatz 3 Bewertungsgesetz).

Bei der Neuregelung der Vollverzinsung könne das Spannungsfeld zwischen Einzelfallgerechtigkeit durch die Abbildung eines realitätsgerechten Zinssatzes und Praktikabilität beziehungsweise Effektivität der Neuregelung durch einen variablen Zinssatz aufgelöst werden. Dieser sollte sich aus dem Basiszinssatz (§ 247 Bürgerliches Gesetzbuch) zuzüglich eines Aufschlagssatzes (in Höhe von zum Beispiel zwei Prozentpunkten) zusammensetzen und ab einer Schwankungsbreite von mehr als einem Prozentpunkt zu einer automatischen Anpassung führen.

Die Umsatzsteuer indessen sollte grundsätzlich von der Vollverzinsung ausgenommen werden, meint die BStBK. Denn sie sei mit den grundlegenden mehrwertsteuerlichen Prinzipien wie dem Neutralitäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie dem Unionsrecht nicht vereinbar. Die an der Leistungskette Beteiligten erhielten regelmäßig keine Liquiditätsvorteile, die abgeschöpft werden müssten. Bundessteuerberaterkammer, PM vom 13.01.2022