Die Kosten eines in einem Scheidungsverfahren beauftragten britischen Rechtsanwalts und die damit in Zusammenhang stehenden Reisen sind als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, soweit sich der Steuerpflichtige dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum zu stellen hat und die Höhe nach landestypischen Gesichtspunkten angemessen sind. Damit stellt sich das Finanzgericht Schleswig-Holstein (Az. 5 K 156/12) gegen einen Nichtanwendungserlass, wonach die Finanzverwaltung bei Ehescheidungen keinen vollständigen Abzug akzeptiert.
Dieser Streitpunkt hat eine Vorgeschichte: Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte – unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung – entschieden, dass Zivilprozesskosten von Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und damit die Voraussetzung für außergewöhnliche Belastungen gegeben ist. Der Aufwand kann daher bei der Einkommensteuer mindernd geltend gemacht werden, wenn die Kosten – wie auch ansonsten im Rahmen von außergewöhnlichen Belastungen – notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (Az. VI R 42/10).
Bei den Kosten eines Zivilprozesses spricht nach der Auffassung der Finanzverwaltung eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit, weil es in der Regel der freien Entscheidung der Parteien überlassen ist, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozesskostenrisiko aussetzen. Die Finanzverwaltung erkennt Zivilprozesskosten nur an, wenn das Verfahren existentiell wichtige Bereiche berührt und eine Person ohne den Rechtsstreit Gefahr läuft, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Dem hatte der BFH entgegnet, wenn sich jemand trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess einlässt, liege die Ursache für die Kosten in seiner Entscheidung, das Risiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen. Daher entfällt die Auffassung, ein Mensch übernehme das Prozesskostenrisiko freiwillig. Denn diese verkennt, dass Ansprüche regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind.
Im jetzt entschiedenen Fall ging es um die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen für Anwaltskosten und Reisen nach Großbritannien. Die Rechtsanwaltskosten sind der Höhe nach nicht unangemessen. Dies folgt bereits aus der Konstellation, dass es in Großbritannien kein vergleichbares System von Rechtsanwaltsgebühren wie in Deutschland gibt, sondern grundsätzlich Stundensätze vereinbart werden und der hier vereinbarte Stundensatz für einen tätigen Anwalt in London als angemessen anzusehen ist. Es ist auch nachvollziehbar, wenn jemand einen in England tätigen, im internationalen Familienrecht bewanderten, englisch und deutsch sprechenden Anwalt beauftragt. Die Reisekosten waren nötig. Der Steuerzahler war verpflichtet, persönlich zum Prozess zu erscheinen, und die Reisekosten sind zwangsläufig entstanden. Sie sind im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles der Höhe nach angemessen.
Hinweis: Im Hinblick auf mehrere Urteile der Finanzgerichte wurde die Revision zum BFH zugelassen. Der kann nun seine neuere Rechtsprechung noch einmal bekräftigen.
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