Gebäude mit Schwamm befallen: Versicherung haftet nicht nur für während Vertragslaufzeit in Mitleidenschaft gezogene Stellen

Ein Gebäudeversicherer hat dem Gebäudeeigentümer für den gesamten Schwammbefall des versicherten Gebäudes und nicht nur hinsichtlich der innerhalb der Vertragslaufzeit konkret nachgewiesenen Befall-Stellen Versicherungsschutz zu gewähren. Dies stellt das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) zugunsten einer Versicherungsnehmerin und Eigentümerin eines mehrgeschossigen Gebäudes fest.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines mehrgeschossigen Mietobjekts, für das bei dem beklagten Versicherer eine gleitende Neuwertversicherung gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer bestand. Die Versicherung gewährte Schutz gegen Schäden, die durch holzzerstörende Pilze (Schwamm) verursacht werden. Die Klägerin kündigte die Versicherung, entdeckte aber einen Monat vor Vertragsablauf einen erheblichen Schwammbefall an dem Gebäude und meldete dies der Versicherung. Der Versicherer verlangte von ihr noch vor Ablauf der Vertragslaufzeit genaue Angaben und Nachweise, aus der sich der Befall mit einer versicherten Schwammart ergibt. Die Klägerin schaltete einen Sachverständigen ein, der an dem Gebäude 36 Proben aus dem Bauholz nahm und in 24 dieser Proben Pilz- und Schädlingsbefall feststellte. Der Versicherer erkannte an, für die Sanierung der festgestellten Schadstellen einzustehen, wies aber darauf hin, für weitere bisher nicht angezeigte Befall-Bereiche nicht einzustehen. Diese seien neue Schadensfälle, die außerhalb der Vertragslaufzeit lägen. Nach Ablauf des Versicherungsvertrages wurde ein weiterer großer Befall durch Hausschwamm an der Holztragkonstruktion im Dachgeschoss des Gebäudes festgestellt. Daraufhin klagte die Gebäudeeigentümerin auf Feststellung des Versicherungsschutzes für den gesamten Schwammbefall. Der Versicherer habe der Gebäudeeigentümerin hinsichtlich des gesamten Schwammbefalls an dem versicherten Gebäude Versicherungsschutz zu gewähren, entschied das OLG. Eine Beschränkung auf nur diejenigen Schäden, die bis zum Ende der Vertragslaufzeit positiv festgestellt und der Versicherung konkret angezeigt wurden, lasse sich den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen. In den Vertragsbedingungen heiße es, dass der Versicherungsfall beginne, sobald der Versicherungsnehmer von dem Schadensereignis (Befall) Kenntnis erlangt, spätestens mit der Feststellung des Schadens durch den Versicherer. Dem liege aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers die Vorstellung zugrunde, dass das Gebäude von einem Pilz befallen ist, der Pilzbefall wahrgenommen wird – womit der Versicherungsfall eingetreten ist – und dann sämtlicher festgestellter weiterer Schwamm vollständig beseitigt wird. Dies werde verständigerweise auch der typische Fall eines Schadens durch Schwamm sein. In aller Regel werde zunächst eine einzelne Stelle auffällig werden und dadurch dem Versicherungsnehmer zur Kenntnis gelangen. Dessen Meldung ziehe dann weitere Untersuchungsmaßnahmen nach sich, die regelmäßig einen weiteren Befall zu Tage förderten, dessen Sanierung insgesamt Inhalt des Versprechens des Versicherers sei. Wäre es anders, könnte der Versicherer den Umfang seiner Leistungspflicht allein dadurch reduzieren, dass er – wie hier – die nach der ersten Schadensmeldung vorgesehenen eigenen Feststellungen unterlässt oder verzögert.

Dass für den Beginn des Versicherungsfalls auch auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers abgestellt wird, solle verständigerweise nur dem Versicherungsnehmer in der Weise zugutekommen, dass nach einem gemeldeten Schwammschaden, der sich regelmäßig latent entwickelt und vom Versicherungsnehmer entsprechend spät bemerkt wird, der Versicherer nicht einwenden kann, dass der erste Fall schon vor Versicherungsbeginn entstanden sei.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.06.2015, 16 U 3/15

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