Dramatischer Tod des Ehegatten in Familienheim: Erwerb des Grundstücks von Todes wegen dennoch nicht steuerbefreit

Der dramatische Tod eines Ehegatten im Familienheim, der beim zurückgebliebenen Ehegatten psychische Probleme bedingte, führt nicht zur Steuerfreiheit des Erwerbs des Grundstücks von Todes wegen, wenn der Ehegatte das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt. Das gilt auch dann, wenn der Auszug aus dem ehemaligen Familienheim erfolgte, um das Trauma besser zu überwinden, der verbliebene Ehegatte aber bis zum Finden einer passenden neuen Immobilie noch über ein Jahr in dem ehemaligen Familienheim gelebt hat.

In ihrer Erbschaftsteuererklärung vom 26.09.2013 machte die Klägerin betreffend des Familienheims eine Steuerbefreiung nach §13 Absatz 1 Nr. 4b ErbStG geltend. Zur Begründung trug sie vor, trotz ihres Auszugs aus dem Familienheim sei die Steuerbefreiung zu gewähren, da ihr die weitere Selbstnutzung aus objektiv zwingenden Gründen nicht mehr möglich gewesen sei. Ihrem weiteren Verbleib in dem Familienheim hätten gesundheitliche Gründe entgegen gestanden, die auf die dramatischen Umstände des Versterbens des Erblassers in dem Familienheim zurückzuführen seien. Dies habe bei ihr eine schwere akute Belastungsstörung ausgelöst, deren Heilung ohne eine räumliche und endgültige Trennung von dem Familienheim nicht möglich gewesen sei. Zum Nachweis dessen hat die Klägerin mehrere ärztliche Bescheinigungen vorgelegt.

Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer ohne Berücksichtigung der Befreiung nach § 13 Absatz 1 Nr. 4b ErbStG fest. Die für den Auszug der Erbin verantwortliche psychische Unzumutbarkeit des dortigen Wohnenbleibens stelle keinen objektiv zwingenden Grund nach dem Erbschaftsteuergesetz dar, so die Begründung.

Auch das daraufhin von der Klägerin angerufene FG lehnte die Steuerbefreiung ab. Es vermochte nicht festzustellen, dass der Klägerin das selbstständige Führen ihres Haushaltes in dem Familienheim aufgrund ihrer psychischen Probleme unmöglich war. Die psychische Situation der Klägerin möge zwar von ihr als zwingend empfunden worden sein. Das FG sei aber nicht zu der Überzeugung gelangt, dass ein Ausmaß erreicht worden sei, das der Klägerin eine Nutzung des Grundstücks

als Familienheim nach dem Tod des Erblassers unmöglich machte. Entscheidend für diese Beurteilung war laut FG die Tatsache, dass die Klägerin nach stationären Behandlungen in den Zeiträumen vom 30.08.2012 bis 03.09.2012 und vom 08.10.2012 bis zum 27.11.2012 wieder ihr Familienheim bezog und bis zu ihrem Auszug im November 2013 dort – unter selbstständiger Fortführung ihres Haushaltes – wohnen blieb.

Hierbei verkenne das FG nicht, dass der besondere Gesundheitszustand der Klägerin einer möglichst baldigen Änderung der Wohnsituation bedurfte und aus ärztlicher Sicht eine vollständige Lösung von dem früheren Familienheim angezeigt war. Dass die Klägerin trotz ihres Gesundheitszustandes das Familienheim noch nahezu ein Jahr bewohnte und ihren Haushalt selbstständig weiterführte, um in dieser Zeit eine adäquate Wohnmöglichkeit zu finden, zu erwerben und dorthin umzuziehen, zeige aber, dass es keine zwingenden Gründe waren, die die Klägerin an dem Bewohnen ihres (früheren) Familienheims hinderten. Vielmehr sei es letztlich die Entscheidung der Klägerin, Mietwohnungen und entfernt liegende Objekte als keine (auch nicht zeitweise) Alternativen anzusehen, sondern abzuwarten, bis das passende Objekt erworben werden konnte, dies zu renovieren und erst dann – zur Erhaltung und gegebenenfalls Besserung ihres Gesundheitszustandes – dorthin zu ziehen. Bis zum diesem Zeitpunkt sei es ihr – trotz ihres Gesundheitszustandes – möglich gewesen, zumindest zeitweise in ihrem früheren Familienheim zu verbleiben. Dies sei nicht vergleichbar mit der „zwingenden“ Aufgabe des Familienheims aufgrund des eigenen Todes oder einer – die eigenen Haushaltsführung unmöglich machenden – Pflegebedürftigkeit.

Gleichzeitig zeige die Entscheidung der Klägerin, aufgrund ihrer dramatischen und – wohl auch traumatischen – Erlebnisse ihr Familienheim aufzugeben und woanders neu anzufangen auch, dass die Klägerin die der Vorschrift zugrunde liegende „gegenständliche räumliche“ Bindung an den früheren gemeinsamen familiären Lebensraum aufgegeben hat, so das FG. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks dieser Vorschrift – nämlich durch eine Steuerbefreiung dem Erwerber zu ermöglichen, sein Familienheim beizubehalten – bedürfe die Klägerin im Streitfall insofern auch nicht der geltend gemachten Steuerbegünstigung.

Finanzgericht Hessen, Urteil vom 10.05.2016, 1 K 877/15

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