Bauvorhaben: Architekten und Statiker müssen mit Auftraggeber Risiken erläutern

Unterlassen Architekten oder Statiker es, die Risiken, denen ein Bauvorhaben ausgesetzt war, mit dem Auftraggeber zu erörtern, so können sie sich haftbar machen, wenn sich die Risiken später realisieren und zu einem Schaden führen. Muss sich allerdings dem Auftraggeber aufgrund bestimmter Umstände aufdrängen, dass in Bezug auf das Vorhaben eine bestimmte Gefahrenlage besteht, so ist ein Mitverschulden anzunehmen. Dies geht aus einem Fall hervor, den der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell entschieden hat.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks an der Steilküste von Rügen. Sie plante, einen dort vor mehreren Jahrzehnten errichteten Altbau zu sanieren. Ein von ihr in Auftrag gegebenes Baugrundgutachten empfahl, dort einen bebauungsfreien Sicherheitskorridor zu belassen. Der von der Klägerin beantragte Bauvorbescheid wurde abgelehnt, weil die Standsicherheit des Hanges in diesem Bereich nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde mit der Auflage erteilt, am Standort des Altbaus genauere Bodenuntersuchungen vorzunehmen. Die Beklagten – eine Architektengesellschaft und der Statiker – unterließen dies. Ende 2003 war das Sanierungsvorhaben fertiggestellt. Im März 2005 brach ein großes Stück der Steilküste weg. Der unmittelbar an der Abbruchstelle gelegene Altbau durfte nicht mehr genutzt werden. Später musste das Gebäude abgerissen werden.

Die Klägerin hat von den Beklagten Schadenersatz, beziffert mit rund 2,9 Millionen Euro, verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Schadenersatzanspruch dem Grunde nach uneingeschränkt stattgegeben. Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Die Beklagten hätten ihre vertraglichen Pflichten in zweifacher Hinsicht verletzt. Zum einen hätten sie es unterlassen, die Risiken eines möglichen Steilhangabbruchs mit der Klägerin zu erörtern. Zwar habe die Klägerin tatsächliche Umstände, aus denen sich die Gefährdung ergab, gekannt. Das gestatte aber nicht den Schluss, dass sie deren gesamte Tragweite zutreffend bewertet hat. Zum anderen hätten die Beklagten die gebotenen weiteren Baugrunduntersuchungen nicht veranlasst.

Das Berufungsgericht müsse nun feststellen, ob sich die Klägerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten für das Bauvorhaben entschieden hätte, wobei es maßgeblich auf die Sichtweise ankommt, bevor sich das Risiko realisierte. Der Klägerin komme eine Beweislastumkehr zugute. Sollte das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach erneut bejahen, ist laut BGH ein Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen. Müsse sich dem Auftraggeber, wie hier, aufgrund eigener Kenntnis tatsächlicher Umstände aufdrängen, dass die Planung des Architekten sowie die Statik des Tragwerksplaners eine bestimmte Gefahrenlage in Kauf nehmen, verstoße er regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben durchführt. Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.2013, VII ZR 4/12